Alemania: Klimawandel setzt Kartoffeln zu ,Forscher suchen nach Kartoffel der Zukunft
Die Kartoffel droht zu einem weiteren prominenten Opfer der Klimakrise zu werden. Ein EU-weites Projekt soll ihr aber eine Zukunft bescheren.

Kassel – Die Kartoffel gilt als Lieblingsgemüse der Deutschen. Sie ist fester Bestandteil vieler Gerichte und findet sich auch in Form von Pommes Frites oder Chips auf dem Tisch wieder. 56,1 Kilogramm verspeiste jeder Bürger in Deutschland durchschnittlich im Wirtschaftsjahr 2021/2022, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mitteilte.
Längst aber ist die Kartoffel auch zum Sorgenkind geworden. Denn der genannte Verbrauch war der zweitniedrigste binnen zehn Jahren. Während Kartoffelerzeugnisse im Vergleich zum Vorjahr ein kleines Plus verzeichneten, ging der Konsum von Frischkartoffeln von 24 auf 20,3 Kilogramm deutlich zurück. Als Grund führt das Ministerium von Cem Özdemir (Grüne) neben den coronabedingten Lockerungen einen warmen und sehr sonnigen Frühling 2022 an, der für mehr Verzehr außer Haus gesorgt haben könnte.
Kartoffeln und der Klimawandel: „Ohne Bewässerung nicht mehr anzubauen“
Gerade die Klimakrise macht der Kartoffel zu schaffen. Darunter würde sie „teils sogar massiv“ leiden, betont Markus Teige von der Universität Wien laut Focus Online. Der Pflanzenbiologe nennt vor allem die Trockenheit als große Herausforderung: „Ohne Bewässerung kann kein Landwirt heute mehr Kartoffeln anbauen.“ Andernfalls sei es nicht möglich, vertragliche Liefermengen einzuhalten.
Zu kämpfen hat die Kartoffel demnach auch mit anderen Wetterphänomen: zu warmen Nächten und auf lange Trockenheit folgende ausgiebige Regenfälle. „Wenn ein Acker zwei Tage unter Wasser steht, reicht das schon, um die gesamte Ernte zu ruinieren“, erklärt Teige.
Kartoffeln ächzen unter der Hitze: Anbau und Pflege werden teurer
Große Einbußen waren im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Laut BMEL ließen erste Auswertungen im Spätsommer eine Erntemenge von rund 10,3 Tonnen Kartoffeln für das Jahr 2022 schließen. Dieses bedeutet einen Rückgang um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr und um fünf Prozent im Vergleich zum mehrjährigen Durchschnitt. Als Ursache werden die „überdurchschnittlich heißen und trockenen Sommermonate“ genannt.
Für immer mehr Landwirte stellt sich die Frage, ob sich der Anbau der Kartoffel noch wirklich rechnet. „Das Pflanzgut, die Pflege und der Arbeitsaufwand auf der Fläche kosten mehr Geld“, wenn auf die zusätzliche Bewässerung verzichtet werde, gibt Olaf Feuerborn, der den Themenbereich „Kartoffeln“ beim Deutschen Bauernverband (DBV) leitet, laut Focus Online zu bedenken.
Der als Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt agierende Kartoffel-Experte verweist auf die Hindernisse bei der Arbeit: „Wir haben die Anbaufläche um die Hälfte reduziert und bauen dort an, wo es auch ausreichend Wasser gibt, um die Felder zu beregnen, damit das Ganze noch wirtschaftlich ist und die Pflanzen vernünftige Qualität haben.“ Die Landwirte werden bei der Wahl des Anbaugebietes also zunehmend eingeschränkt – und hier dürfte das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein.
Forschung für die Kartoffel: ADAPT soll stressresistente Variante finden
Auch deshalb forscht Teige nach einer multiresistenten Kartoffel. Er ist Koordinator des EU-Horizon-2020-Projekts ADAPT. Der Name steht für „Accelerated Development of multiple-stress tolerAnt PoTato“, also die beschleunigte Entwicklung einer multi-stressresistenten Kartoffel. Dabei handelt es sich um ein „Konsortium von zehn führenden europäischen Forschungsinstitutionen, vier Kartoffelzüchtern, einer Non-Profit EU-Organisation, der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und einem Technologie-Entwickler, das die molekularen Grundlagen der Stressanpassung in Kartoffeln erforscht“.
Binnen vier Jahren sollen Strategien entwickelt werden, „um die Kartoffel fit für die herausfordernden klimatischen Bedingungen der Zukunft“ zu machen. Fünf Millionen Euro gab die Europäische Union (EU) dafür frei.
Kartoffel der Zukunft: Feldversuche des Projekts sollen bis ins Jahr 2024 andauern
Bei ADAPT heißt es unter anderem: „Als Nutzpflanze, die ursprünglich aus einem kühlen Klima stammt, sind Kartoffeln besonders anfällig für Hitze- und Trockenstress. Diese Stressbedingungen haben beide einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Knollen, die auch besonders empfindlich gegenüber nassen Böden sind.“ Außerdem wird gewarnt: „Hitze und Trockenheit können den Ernteertrag von Kartoffeln um bis zu 70% reduzieren und lösen außerdem ein sekundäres Wachstum der Knollen aus, was die Qualität weiter reduziert.“
Erforderlich sei deshalb „eine Umstellung des Stoffwechsels der Pflanzen“. Untersucht werden sollen „die Dynamik komplexer Signalwege und die molekularen Mechanismen der Anpassung an Stress in Kartoffeln“. Hierzu werden Feldversuche an verschiedenen Standorten in Europa und im Labor abgehalten.
Dies soll dazu führen, dass die Kartoffelzüchtung vereinfacht wird und stressresistente Sorten schneller gefunden werden. Denn die Zeit drängt. Noch befindet sich Teiges Team mitten in den Feldversuchen. Ab Sommer 2024 sollen dann in einem nächsten Schritt die Datenmengen ausgewertet werden. Hoffentlich mit der Erkenntnis, dass die Kartoffel dem Klimawandel trotzen kann und auch im Angesicht von Hitze, Trockenheit oder sintflutartigen Regenfällen zu einem schmackhaften Nahrungsmittel heranreift. (mg)
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Fuente: https://www.hna.de/verbraucher/kartoffel-ernte-klimawandel-hitze-duerre-regen-ernteausfall-landwirte-adapt-forscher-eu-92181939.html