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Europa 25/02/2020

Alemania: kartoffel lebensmittel klimawandel

Die Kartoffel leidet unter dem Klimawandel - und ihrem biederen Image. In Bayern versuchen Landwirte jetzt, die Knolle neu zu beleben. Aber wie macht man ein Lebensmittel sexy?

Hipper kann man die braune Knolle kaum inszenieren. Eine Showküche im Norden Münchens, Kameramänner in teuren Sneakern, eine Visagistin, ein Dutzend Scheinwerfer. Vorne halten ein Moderator und eine Moderatorin, bekannt aus dem Privatfernsehen, jeder eine Kartoffel in der Hand und plaudern. Sie: "Du bist ja auch von deiner Herkunft her ’ne richtige Kartoffel, oder?" Er: "Absolut. Und du eher so ’ne Süßkartoffel." Die Kameraleute grinsen.

Im Hintergrund, auf einem Fensterbrett, sitzt Johann Graf mit verschränkten Armen und nickt. Hinter ihm geht der Blick über die Hausdächer der Vorstadt, dahinter verschluckt der Winternebel die grauen Äcker. Graf weiß: schön leichte Böden. Die Gegend zwischen Dachau und Erding ist ideal für Frühkartoffeln, die Ende Februar eingepflanzt werden. Zur Spargelzeit werden sie geerntet - und dann hoffentlich endlich wieder in großen Mengen gekauft. Deswegen sitzt er hier.

Graf ist ein schlaksiger blonder Mann mit zurückhaltendem Lächeln und Oberpfälzer Zungenschlag. Studierter Landwirt. Man merkt schnell: Die Welt der Kartoffeläcker ist ihm näher als die der TV-Studios. Aber er hat nun mal den Auftrag, das Image der Knolle zu verbessern. Genauer gesagt: das Image der "Bayerischen Kartoffel". So heißt die Kampagne, die er leitet. Es ist der Versuch, ein aus der Mode geratenes Lebensmittel wieder neu zu beleben.

Deshalb lässt Graf hier im Studio Videos für den nagelneuen Youtube-Kanal "Die Bayerische Kartoffel" drehen, den er in einigen Wochen freischalten wird: eine Kochsendung, in der Sportler, Fernsehköche und andere Prominente ihr Lieblingsrezept mit Kartoffeln vorstellen. Heute: gebackene Kartoffel-Käse-Nester, "perfekt zum Frühstück".

Wenn er über seinen Plan spricht, benutzt Johann Graf das schöne Wort "Kartoffelkompetenz". Die habe stark abgenommen über die vergangenen Jahrzehnte. Sie gilt es nun zu erhöhen. Es klingt schwer zu glauben - aber ausgerechnet das Lebensmittel, das historisch und kulturell so eng mit Deutschland verwoben ist, dass es mitunter sogar als abfälliges Schimpfwort für den Deutschen an sich verwendet wird, steuert auf eine Krise zu.

Wer kann, isst heute lieber Quinoa

Im Motor der europäischen Entwicklung war die Kartoffel über Jahrhunderte ein wichtiger Treibstoff. 1537 entdeckten Spanier sie in Kolumbien, brachten sie zunächst als Zierpflanze nach Europa, wegen ihrer hübschen Blüte. Bald entpuppte sie sich als Effizienzwunder: Sie wächst in Regionen ohne viel Sonne, gedeiht auch auf schlechten Böden. Ihr Ertrag pro Fläche ist anderthalb mal so hoch wie der von Getreide.

Man musste die Kartoffel nicht schroten, mahlen oder zu Brot verarbeiten, um sie genießbar zu machen. Es reichte, sie in die Ofenglut zu legen, die in jeder Hütte brannte. Friedrich der Große erließ für die preußischen Sandböden seinerzeit den berühmten "Kartoffelbefehl", er zwang Bauern, die neuartige Frucht anzubauen. Wachstum, Industrialisierung, Wohlstand - das Deutschland der Gegenwart wäre kaum denkbar ohne die Kartoffel. Und doch hat sie heute ein Problem. Die Deutschen essen sie weniger denn je. Und die Konkurrenz ist härter geworden.

An einem grauen Wintermorgen steuert Graf sein Auto in nördlicher Richtung aus München hinaus. Es ist eine seiner typischen Touren: Er besucht einen Bauern, einen Fritten-Hersteller, einen Verpackungsbetrieb. Graf ist Referent beim Bauernverband, der die Kampagne der "Bayerischen Kartoffel" unterstützt - sein Job ist eine Mischung aus Diplomat und Lobbyist. Er vermittelt zwischen Landwirten und Händlern und gibt eine Zeitschrift namens "Die Kartoffel" heraus. Er hat ein Kochbuch namens "Die tolle Genussknolle" zusammengestellt. Und natürlich richtet er die jährliche Wahl zur Kartoffelkönigin aus. Oft bringt er auf Events ein paar Glühweintöpfe mit, in denen er die bayerische Kartoffel dünstet - um sie dann verdutzten Menschen einfach in die Hand zu drücken, in der Schale, nur mit etwas Butter und Salz. "Die sagen ausnahmslos alle: Wahnsinn. Ganz vergessen, wie gut das schmeckt."

Wer einen Tag mit ihm durch Bayern fährt, blickt danach anders auf eine Landkarte: Neuburg-Schrobenhausen ist das Kernland der Speisekartoffel, die Böden dort lassen sie besonders schön und nicht zu groß werden. Mittelfranken ist bekannt für Kloßteig und Schupfnudeln. In der Oberpfalz sitzen die "Chipsleute", wie Graf sie nennt - dort steht die älteste Snackfabrik Deutschlands. Aus Schwaben, wo viele längliche Sorten wachsen, kommen besonders gute Fritten. Niederbayern wiederum ist die Heimat der Exportkartoffel: Auf den fruchtbaren Böden dort wird die Knolle so groß, dass sie in Deutschland kaum ein Kunde kaufen würde, "die Griechen und Rumänen stehen aber drauf."

Nach dem Krieg aßen die Deutschen noch 186 Kilo pro Jahr und Kopf. "Was gibt’s dazu?", lautete ein Witz aus der Zeit: "Gabeln." Seither ist der Konsum um ganze zwei Drittel zurückgegangen - und davon sind weit mehr als die Hälfte Fertigprodukte wie Pommes und Chips. Aus den Kartoffelessern, wie Van Gogh sie vor 150 Jahren malte, sind längst Nudel-, Reis- und neuerdings Quinoa-Esser geworden. Genau wie in allen anderen Industrieländern. Wer die Statistiken anschaut, erkennt: je höher das Einkommen einer Gesellschaft, desto weniger gefragt ist die Kartoffel. Sie scheint das Gegenteil eines Statussymbols zu sein. Beliebter wird sie gerade nur in Entwicklungsländern, in Afrika und Asien.

Vor allem die Franzosen haben zuletzt in ihre Knollen investiert

Zum Imageproblem kommt noch ein weiteres: das Klima. Nach dem Dürresommer 2018 fuhren Bauern die schlechteste Ernte seit fast dreißig Jahren ein. Bekommt die Kartoffel während des Wachstums nicht regelmäßig Wasser, "macht sie einen Schmarrn", wie Graf sagt: sie verformt sich, wird als Speisekartoffel unverkäuflich, ist irgendwann nicht mal mehr für Kloßteig verwendbar. 2019 erholte sich die Erntemenge etwas, dank großzügiger künstlicher Bewässerung, lag aber immer noch unterm Schnitt. Unter Landwirten hat ein Wettlauf begonnen: Wer passt sich den Wetterextremen am schnellsten an und holt auch am Ende eines Dürresommers eine gute Knolle aus dem Boden?

Graf stoppt seinen Wagen auf einem Hof in der Nähe von Donauwörth. Der Bauer heißt Ernst Schuhmann, er ist Chef der Erzeugergemeinschaft, zu der sich die Landwirte der Gegend zusammengeschlossen haben. An seinem Scheunentor hängt ein großes Blechschild: "Genuss aus der Region." Im Sommer stellt er solche Schilder am Straßenrand auf seine Äcker. Die Menschen sollen das weiß-blaue Logo später im Supermarkt wiedererkennen.

Das Paradoxe ist: In Zeiten der Klimakrise sollten eigentlich mehr Menschen Kartoffeln essen denn je. Für sie wird kein Wald gerodet wie für Soja. Sie müssen nicht importiert werden wie Reis. Deutschland kann seinen Bedarf aus eigener Herstellung decken. Sie werden meist nicht mal über weite Strecken gefahren: Der Packbetrieb und die Pommes-Fabrik, an die Bauer Schuhmann seine Kartoffeln liefert, liegen keine halbe Autostunde vom Hof entfernt. Lokal, saisonal, klimafreundlich: Viele Forderungen der "Friday for Future"-Demonstranten erfüllt die Knolle schon seit Jahrhunderten. Dazu kommt: Sie ist reich an Nährstoffen, "fast isotonisch", sagt Graf gerne. Man könnte sie Superfood nennen, wäre das Wort nicht so von der Werbung verschlissen, wo man es besonders gerne für Klimakiller wie Avocados verwendet.

Spricht man mit Menschen, die seit Jahrzehnten in der Branche sind, datieren einige den Tiefpunkt auf 2003. Damals gaben die Deutschen in Umfragen an, worauf sie im Supermarkt am meisten achteten: den Preis. Es war das Jahr, nachdem der Elektronikmarkt Saturn seinen Werbeclaim "Geiz ist geil" gestartet hatte. Auch Kartoffeln mussten billig sein - Herkunft egal.

Seitdem hat sich der Zeitgeist gewandelt. Die Qualität ist den Deutschen heute wichtiger denn je. Auch deshalb sucht man in der Lebensmittelbranche jetzt überall die Rettung in der Regionalität. Aber die Konkurrenz hat Vorsprung. In Niedersachsen, dem größten Kartoffelland der Republik, wird aufgrund schlechter Böden schon seit Jahrzehnten künstlich bewässert. Deshalb leidet die Kartoffel dort nun weniger unter den trockenen Sommern als in Bayern. Fällt die niedersächsische Ernte aber deutlich besser aus als die bayerische, wie zuletzt, sinken die Preise, die die Supermärkte den Bauern zahlen, auch in Süddeutschland. Die Konkurrenz zwischen Nord und Süd macht den Landwirten zu schaffen.

"Wir können da weiter zuschauen und jammern und schimpfen", sagt Johann Graf. "Oder wir versuchen, Lust auf unsere eigenen Kartoffeln zu machen." Er sitzt jetzt bei Bauer Schuhmann am Esstisch, es gibt Butterbrezen und Filterkaffee. Die Idee hinter dem Magazin, den Ackerschildern und dem Youtube-Kanal, sie geht so: Der Kunde muss Lust speziell auf bayerische Kartoffeln bekommen. Wenn er dann bereit ist, dafür auch ein wenig mehr zu zahlen, können die Niedersachsen ihre Knollen noch so billig auf den Markt werfen - der Preiskampf wäre ausgehebelt. "Wir sind wieder wer, darum geht’s", sagt Schuhmann. "Und wenn’s mal nicht gut läuft, fallen wir nicht mehr hinten runter."

Ein paar Wochen später wiegen sich vor dem Messezentrum Berlin riesige aufblasbare Birnen und Orangen im Wind. Sie werben für ihre Herkunftsländer: Italien und Marokko. Für die Obst- und Gemüsebranche sind das die drei wichtigsten Tage des Jahres: Auf der Fachmesse Fruit Logistica entscheiden sich Kunden aus 130 Ländern, welche Sorten sie im nächsten Jahr kaufen.

Kellnerinnen mit Dirndl und Dialekt servieren Weißwürste

Zu den Problemen der Kartoffel auf dem heimischen Markt kommt die Konkurrenz im Ausland. Allen voran die Franzosen hätten zuletzt massiv in Optik und Marketing investiert, sagt Graf: "Die haben schöne Kartoffeln, glänzende Kartoffeln." Dazu hätten sie auf Messen riesige Stände aufgebaut, um die Importeure zu beeindrucken. Die bayerischen Bauern standen an einzelnen Ständen daneben und mussten zusehen, wie Einkäufer aus Rumänien oder Italien ihre Ware fortan aus Frankreich bezogen. So kam ihnen die Idee, sich zur Wehr zu setzen - mit einer eigenen Offensive und einem eigenen Logo. Die Geburtsstunde der "Bayerischen Kartoffel".

Der Stand der Bayern ist dieses Jahr der größte in Halle 21, er thront mittendrin. Kellnerinnen mit Dirndl und echtem Dialekt servieren Weißwürste. Ein Marokkaner im Anzug erkundigt sich, wo er hier einen Erzeuger von Chipskartoffeln finde. Ein fränkischer Bauer raunt augenzwinkernd: "Die Jahre mit schlechter Ernte sind die besten für die Messe." Dann ist die Nachfrage hoch, der Export brummt.

Johann Graf plaudert derweil mit einem Oberpfälzer Knödelhersteller. Beide sind guter Dinge. Der diesjährige "Kartoffelbericht" des Landwirtschaftsministeriums macht Mut. Er meldet, dass der Pro-Kopf-Konsum von Kartoffeln in Deutschland auf gut 60 Kilo gestiegen ist. Zweieinhalb mehr als im Vorjahr. Ob das auch an der Kampagne liegt? Schwer zu sagen, natürlich. Aber das erste Video auf dem Youtube-Kanal, den Johann Graf ein paar Tage vorher eingerichtet hat, "Reiberdatschi mit der Bayerischen Kartoffelkönigin", wurde schon mehr als 100 000-mal angeschaut.

Fuente: https://www.sueddeutsche.de/stil/kartoffel-lebensmittel-klimawandel-1.4805964


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